In This World (2002)

Der afghanische Waisenjunge Jamal lebt in einem Flüchtlingslager in Pakistan. Zusammen mit seinem einige Jahre älteren Cousin Enayatullah macht er sich im Februar 2002 auf Anweisung von Jamals Onkel auf den Weg nach London in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie haben keinen Pass, kaum Geld und gelten in jedem Transitland als unerwünschte, illegale Migranten. Ihre beschwerliche und lebensgefährliche Route führt sie von Pakistan über den Iran, die Türkei, Italien und Frankreich bis nach Großbritannien. Nur Jamal kommt dort im Juni 2002 noch lebend an. Enayatullah ist mit anderen Flüchtlingen qualvoll in einem Schiffscontainer erstickt. In London ruft Jamal seine Verwandten in Pakistan an und berichtet ihnen, dass sein Cousin „nicht in dieser Welt“ sei.

Der britische Regisseur Michael Winterbottom, der auch schon bei „Welcome to Sarajewo“ in Krisengebiete reiste, um aktuell auf politische Situationen reagieren zu können, hat die strapaziöse Reise seiner beiden Helden ausnahmslos mit Laien und so authentisch wie möglich an Originalschauplätzen inszeniert. Dabei hat er auch eigene Risiken auf sich genommen. Vorbereitung und Dreh fanden in der politisch aufgeheizten Atmosphäre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 statt. Mit wackeliger Handkamera, grobkörnigen Bildern, Einsatz von Nachtsichtgeräten, gedreht mit handelsüblichen Digicams, verstärkt durch Originalton und „kommentierende“ Musik, schafft es Winterbottom nach einem etwas zu lehrfilmhaft geratenen Einstieg, Gefühle der existenziellen Bedrohung und des Ausgeliefertseins an Willkür hautnah zu vermitteln und sinnlich spürbar zu machen. Sein außergewöhnlicher, harter Film verdeutlicht, was Flüchtlinge oft auf sich nehmen, um eine vermeintlich bessere Zukunft zu haben, was sie hinter sich lassen und was sie tatsächlich erwartet. Angeregt von einem authentischen Fall mit Containerflüchtlingen und aufgeschreckt von der zunehmend ablehnenden Haltung der britischen Regierung gegen illegale Einwanderer, wollte er die gängige Unterscheidung zwischen politischen und Wirtschaftsflüchtlingen ad absurdum führen. Die Realität hat diesen sehr realistisch wirkenden Spielfilm am Ende doch übertroffen. Hauptdarsteller Jamal, der nach Drehende zurück nach Pakistan musste, hat die Reise ohne Visum ein zweites Mal gewagt und lebt nun mit geduldeter Aufenthaltserlaubnis bis zu seinem 18. Lebensjahr in London.