Vom Aufbrechen und Ankommen
Kinder- und Jugendfilme zum Thema Migration

Naomis Reise (2017)

Länge: 92 Minuten

Altersempfehlung: Ab 14 Jahren

FSK-Freigabe: Ab 12 Jahren

Regie: Frieder Schlaich

Darsteller: Scarlett Jaimes (Naomi), Liliana Paula Trujillo Turin (Naomis Mutter), Citlali Huezo (Isabel), Miguel Valenzuela (Mateo), Daniel Hinojo (Pedro), Vorsitzender Richter (Michael Rothbart), Christian Voss (Verteidiger), Romanus Fuhrmann (Bernd Hoffmann) u. a.

Genre: Drama , Politischer Film

Land: Deutschland, Peru, 2017

Sprachen: Deutsch

Die 20-jährige Naomi lebt zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in Peru. Der großen Schwester ist zu verdanken, dass sich die Familie über Wasser halten kann. Sie hat anscheinend das große Los gezogen, als sie einen Deutschen kennen lernte, mit dem sie nun glücklich verheiratet ist. Der Schock sitzt tief, als die Familie von ihrer Ermordung durch den Ehemann erfährt. Als Nebenklägerin möchte die Mutter zum Gerichtsprozess nach Deutschland reisen, doch ihre Arbeitgeberin, bei der sie als Haushaltshilfe angestellt ist, verweigert ihr die Erlaubnis. Naomi und die Mutter kommen dennoch nach Deutschland und erleben einen weiteren Schock. Während der Angeklagte jede Aussage verweigert, müssen sie und die anderen Zeuginnen, die einen unmittelbaren Migrationshintergrund aufweisen, sich ständig legitimieren. Je länger der Prozess dauert, desto mehr wird aus dem Mordopfer eine Angeklagte, wobei es dem Gericht nicht gelingt, die wahren Motive der Tat aufzudecken.

Regisseur Frieder Schlaich hat zusammen mit seiner Drehbuchautorin Claudia Schaefer den realen Strafprozess samt Gerichtsurteil minutiös und möglichst authentisch nachgestellt, wobei die meisten der mitwirkenden Juristen auch im wahren Leben am Gericht tätig sind, was nicht zuletzt in ihrer auf Sachlichkeit beruhenden Juristensprache zum Ausdruck kommt. Vor der Folie und den Abgründen des Sextourismus, des „Heiratsmarkts“ für südamerikanische Frauen und dem Besitzanspruch eines deutschen Ehemanns, der seine Privilegien schamlos ausnutzte, macht der Film deutlich, dass eine neutrale Tatsachenfeststellung gar nicht möglich ist, solange der individuelle und latente Rassismus des Täters vollkommen außer Acht gelassen wird mit der Begründung, dieser Rassismus sei gesellschaftliche Realität und daher nicht dem Täter persönlich anzulasten. Dem Zuschauer dieses gesellschaftlichen und juristischen Skandals drängen sich fast zwangsläufig Fragen auf, wie der Prozess wohl verlaufen wäre, wenn unter den Richtern selbst Menschen mit Migrationserfahrung säßen oder wenn man die Rollen von Täter und Opfer vertauschen würde und die Peruanerin ihren deutschen Mann ermordet hätte. Der Prozess, der sich inklusive einer Tatortbegehung über etwa zwei Monate hinzieht, wird in insgesamt zehn Sequenzen gezeigt, die sich mit Sequenzen aus dem privaten Umfeld von Naomi und ihrer Mutter in Berlin abwechseln und der stark eingeengten Sicht der Juristen eine völlig andere Wirklichkeit entgegensetzen. Ein Film, der viele Fragen aufwirft und emotional berührt.

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  • Kauf-DVD: Filmgalerie 451